Die Blasiuskirche in der Brunnenstraße 2 in Kleinengstingen hat ihren Namen von Blasius, der Bischof in Sebaste (Armenien) war und im Jahr 613 als Märtyrer starb. Das heutige Gebäude wurde 1770/71 teilweise auf den Grundmauern einer kleineren Vorgängerkirche erbaut.
Teile der Fundamente dieser früheren Kirche wurden bei der Sanierung im Jahre 2004 aufgefunden. Die Auflistung der Malerarbeitenaus alten Bauakten war für die Restauerierung ein Glücksfall, denn sie bestätigte und ergänzte, was im Laufe der Freilegung entdeckt wurde (Motive, Farbwahl, Marmorierung).
Bei der Renovierung 2003/2004 wurde die Kirche innen grundlegend erneuert, der Altarraum neugestaltet und auch der Altar selbst. Das Gitter von 1770 wurde einbezogen. Das spätbarocke Kruzifix stammt wohl aus der Vorgängerkirche. Der Taufstein ist ebenfalls älter als die heutige Kirche. Die Inschriften sind schwer lesbar.
Geschichtliches
Kleinengstingen gehörte zum Herzogtum Württemberg und wurde 1534 evangelisch. Während der Regierungszeit von Herzog Karl Eugen (1744-1793) wurden in der näheren Umgebung mehrere Kirchen neu erbaut oder umgebaut. Sie fallen durch äußere Einfachheit auf und haben einen Glockenturm, der wie ein großer Dachreiter aufgesetzt ist. Im Inneren sind deshalb zwei große Säulen nötig. An dieser Grundkonzeption ist in der Kleinengstinger Blasiuskirche bei Renovierungen wenig verändert worden, so dass dieser einfache Stil erhalten blieb.
Im Inneren
ist die Kirche als Predigtkirche angelegt. Der Prediger auf der Kanzel sollte von allen Gemeindegliedern im Schiff und auf der Empore gesehen und gehört werden können. Die dreiseitige Empore aus Holz (Orgelempore oberhalb des Altars, Seitenempore und hintere Empore) und die Decke sind farbenfroh im Stil des Rokoko ausgemalt.
In dem Kunstmaler
Johann August Rumny aus Urach (1728 in Weiltingen/Franken geboren) fand sich ein Künstler, der schon in anderen Kirchen und im Schloss Grafeneck tätig war. Anstatt der üblichen Apostel-, Propheten- und Evangelistenfiguren wurden an der Empore, der Kanzel und der Decke Pflanzenornamente als Motive verwendet. In ihnen drückt sich das Lob der Schöpfung aus. Erkennbar sind immer wieder biblische Pflanzen wie Palmen- und Olivenzweige. Dabei taucht auch die Muschelform (französisch: rocaille) auf, die dem Rokoko seinen Namen gab. Für eine Dorfkirche ist diese Ausschmückung ungewöhnlich und von hohem Seltenheitswert, zumal alles frei gemalt ist.
Leider verschwand bei Renovierungen im 19. und 20. Jahrhundert dieses Gesamtkunstwerk unter dicken Farbschichten.
Aus alten Bauakten
im Rathaus Kleinengstingen geht hervor, dass es beim Bau der Kirche nach Fertigstellung der Malerarbeiten 1771 zu einer Auseinandersetzung mit dem Auftraggeber kam. Die Forderungen des Malers erschienen zu hoch. Im Jahr 1774 kam es zum Vergleich.
Insgesamt beliefen sich damals die Kosten für den Neubau auf 3.978 Gulden 56 Kronen und 3 Heller. Dafür wurde vom Herzog ein landesweites Opfer ausgeschrieben. Die benachbarten Gemeinden hatten Eichenstämme “ohnentgeltlich” beigesteuert.
Die romantische Orgel
wurde 1862 von Victor Gruol und Wilhelm Blessing erbaut. Blessing war ein hochbegabter Orgelbaumeister. Er starb 1870 im Alter von 38 Jahren. Die Kleinengstinger Orgel hat zwei Manuale und 13 Register. Sie ist als mechanische Kegellade mit belederten kegelförmigen Ventilen ausgeführt und steht unter Denkmalschutz. Das Gehäuse passt sich in seiner Farbgebung an die Kirche von 1770 an:
Die leichte Marmorierung der angedeuteten Säulen greift die Musterung der Pfeiler auf der gegenüberliegenden Seite auf.
Im Frühjahr 2004 wurden die Renovierung der Kirche und die Restaurierung der Orgel zum Abschluss gebracht.